In der Ostsee wurde eine versunkene steinzeitliche Architektur gefunden welche ca. 10000Jahre alt ist und vorraussichtlich für die Jagd diente
Bedeutung
Konstruktionen aus der Steinzeit können einzigartige Einblicke in die spätglazialen und mesolithischen Kulturen rund um die Ostsee liefern. Oft sind solche Strukturen jedoch innerhalb des dicht besiedelten mitteleuropäischen Subkontinents nicht erhalten geblieben. Nun erregt eine steinzeitliche Megastruktur in der westlichen Ostsee die Aufmerksamkeit von Forschenden. Sie wurde wahrscheinlich vor mehr als 10.000 Jahren von Jäger-Sammler-Gruppen errichtet und versank schließlich während der Littorina-Transgression (Überschwemmung niedriger liegender Küstengegenden) vor 8.500 Jahren. Im Meeresboden konserviert, ermöglicht sie einzigartige Einblicke in die Lebensweise und Entwicklung der Steinzeitmenschen in der Region.
Eine uralte Jagdstruktur unter Wasser
Ostseebecken, von denen einige erst Mitte des Holozäns überflutet wurden, bewahren steinzeitliche Strukturen, die an Land nicht erhalten sind. Doch die Entdeckung dieser Objekte ist schwierig und erfordert interdisziplinäre Ansätze zwischen Archäologie und Meeresgeowissenschaften. Hierbei kommen modernste Untersuchungsmethoden unter Einsatz von hochauflösenden hydrographischen und geophysikalischen Instrumenten zum Einsatz. Forscher haben auf diese Weise in der Mecklenburger Bucht, Deutschland, in 21 Metern Wassertiefe eine bemerkenswerte Struktur aus Tausenden von aneinandergereihten Steinen untersucht.
Die Mecklenburger Bucht im südwestlichen Teil der Ostsee wurde hauptsächlich durch die Weichsel-Eiszeit geformt. Aufgrund von Vergletscherungs- und Klimaeinflüssen gab es in der Ostsee nachweislich mindestens vier holozäne Entwicklungsstadien mit wechselnden Süß-, Brack- und Meerwasserbedingungen. Entlang der heutigen Ostseeküste traten dabei schnelle Meeresspiegelschwankungen auf.
Der neu entdeckte Wall liegt etwa 21 m unter dem gegenwärtigen Meeresspiegel und entstand daher wahrscheinlich vor der Littorina-Transgression. Wissenschaftler*innen datieren ihn ins Jungpaläolithikum – der letzten Phase der Altsteinzeit. Dies macht die Stätte möglicherweise zur ersten bekannten untergetauchten paläolithischen archäologischen Fundstätte im deutschen Ostseeraum.
Ergebnisse und Details
Bereits frühere Forschungskampagnen lieferten Daten zum Meeresboden in der Mecklenburger Bucht. Doch ein fast 1 km langes Gebilde, die „Blinkerwall“, wurde erst bei modernen Untersuchungen aufgedeckt. Die Steinmauer liegt an der Südseite eines von Nordosten nach Südwesten verlaufenden bathymetrischen Rückens am Grund der Ostsee. Einzelne Aufnahmen, u.a. erstellt mit dem autonomen Unterwasserfahrzeug (AUV) zeigen die Mehrheit der Steine deutlich. Eine halbautomatische Auswertung half, Größe und Anzahl der Steine zu bestimmen. Insgesamt kartierten die Forscher*innen 1.673 Steine mit einem Gewicht von insgesamt 142.437 kg. Auffallend ist der größte Stein. Er markiert einen Wechsel im Verlauf der Steinmauer. Die Wand diente vermutlich der Jagd auf eurasische Rentiere (Rangifer tarandus), die dann durch steigende Wasserstände in Folge der Littorina-Transgression überflutet wurde.
Nicht nur die geologische Formation des Gebietes wird erforscht: der Meeresboden bezeugt geologische, biologische und anthropogene Einflüsse und wird mit modernsten Instrumenten und durch archäologische Tauchgänge analysiert.
Steinzeitmenschen als Baumeister – die Jagdtechnik
In Europa sind vergleichbare Megastrukturen fast unbekannt. Dieser untergetauchte Wall zählt zu den größten bekannten steinzeitlichen Bauwerken Nordeuropas. Es wird angenommen, dass diese Art der Anordnung zur gezielten Treibjagd diente. Es könnte sich zudem um einen Beleg für ein bisher unbekanntes Maß an sozialer Organisation in Jäger- und Sammlergruppen handeln. Mit dem Fund eröffnet sich eine neue Dimension steinzeitlicher Lebenswirklichkeit im nun wasserbedeckten Teil Mecklenburg-Vorpommerns, mit detaillierten und überraschenden Aufschlüssen für Archäologen und Historiker.
ORIGINAL ARTIKEL:
COPYRIGHT https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2312008121
Weitere Untersuchungen werden dazu angestellt.